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RSS statt Social Media: Nachrichten und Blogs lesen mit NetNewsWire

Nachdem ich im letzten Jahrzehnt viel Zeit auf Twitter und Instagram verbracht habe, rudere ich inzwischen zurück und mache mich wieder unabhängiger von Social Media. Dafür benutze ich RSS – das steht für Really Simple Syndication, und das gibt es seit 1999, also über 20 Jahren. RSS-Feeds sindbei den meisten Websites und News-Portalen eingebaut.

In diesem Video erfahrt Ihr, wie Ihr mit der kostenlosen App NetNewsWire RSS-Feeds sammelt und darüber Nachrichten und anderes lest, um Soziale Netzwerke zu ergänzen oder teilweise auch zu ersetzen.

Video „Gezielter lesen mit NetNewsWire“ (öffnet in neuem Tab)

Das Problem

Jetzt aber zunächst einmal: Wo ist denn das Problem? Social Media macht es leicht, Infos, Meinungen oder eigene Werke zu veröffentlichen. Es ist egal, ob Ihr Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, Künstler oder Musikerinnen seid – Was Ihr die App des jeweiligen Anbieters schreibt, taucht wenige Sekunden später bei mir auf. Und wenn ich kommentiere, seht Ihr das ebenso schnell, und die anderen, die Euch folgen, ebenso. Niemand muss einen Webhoster aussuchen, dort das Blog aufsetzen und sich mit dem jeweiligen Editor herumschlagen.

Allerdings zeigen mir die Social-Media-Portale nicht alles an, was neu ist, sondern entscheiden per Algorithmus, was ich lese. Das gilt für alle kommerziellen Portale – Facebook, TikTok, Instagram, Threads, BlueSky und X, wie wir Twitter jetzt nennen sollen. Dabei analysiert der jeweilige Anbieter mein Verhalten, das Verhalten anderer Nutzerinnen und die geteilten Inhalte – und entscheidet dann, wer was in welcher Reihenfolge präsentiert bekommt. Halt ein Algorithmus.

Algorithmische Timelines haben ein Problem – oder besser gesagt: Ich habe ein Problem mit ihnen. Denn wenn eine Logik darüber entscheidet, was ich zu lesen bekomme, kann ich gar nicht mehr bewusst selbst entscheiden, was ich lesen will.

Manche Netzwerke bieten die chronologische Darstellung gar nicht mehr an, oder sie schalten sie regelmäßig zurück auf ihren Algorithmus. Und dieser weiß in bestimmten Bereichen sogar mehr darüber, was ich sehen will, als ich selbst: Durch die Analyse der Betrachtungs- und Verweildauer werten Portale wie TikTok und Instagram genau aus, was mich zum langen Betrachten verleitet – und zeigt mir mehr davon.

Aber meistens wünsche ich mir eine bewusste Kontrolle darüber, was ich zu sehen oder lesen bekomme. Ich traue aus guten Gründen der Analyse meiner unterbewussten Vorlieben nicht, sondern will mich selbst im positiven Sinn einschränken.

Auch das Angebot leidet

Die ständige Analyse von Betrachtungszeiten und Klickzahlen wirkt sich aber auch darauf aus, was Menschen ins Netz stellen: Überschriften werden reißerischer, Bilder krasser, Inhalte überdrehter. Denn der Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit ist hart und Fairness oder Objektivität werden nicht immer belohnt. Auch Newsportale optimieren ihre Ansichten darauf, was am besten klickt, und interessante Nischenthemen verschwinden schnell von der Startseite. Und dazu kommen noch zielgruppenorientierte Werbung, toxische Kommentarkulturen und seit kurzem auch die Ego-Trips der jeweiligen Firmenchefs und -Chefinnen.

Meine erste Konsequenz: Letzten Sommer habe ich bei Instagram und TikTok die Reißleine gezogen und ihre Apps von meinem iPhone gelöscht. Denn auch nur ein kurzer Blick in die Hochkantvideos dieser Apps führte oftmals zu Stunden verlorener Zeit. Ich war amüsiert, aber vergaß alles andere – und kurz danach auch den betrachteten Inhalt. Und nach dem Löschen der Apps fehlte mir original überhaupt nichts.

Wenn ich also die Kontrolle zurück darüber will, was ich lese, muss ich mich selbst kümmern, bewusst sortieren und entscheiden, welchen Quellen ich meine Aufmerksamkeit schenke.

Und das ist glücklicherweise überhaupt nicht anstrengend oder teuer. Die App, die ich dafür nutze, heißt NetNewsWire. Mit ihr könnt Ihr Euch das eigene News-Angebot zusammenstellen und behaltet stets den Überblick über verschiedenste Quellen.

Denn damit ist das Ganze überhaupt nicht anstrengend oder teuer. Die App, die ich dafür nutze, heißt NetNewsWire. Die gibt es kostenlos. Da kann man den Entwicklern nicht mal was für spenden, weil sie dafür eine Firma aufsetzen wollen. Das ist ihnen alles viel zu anstrengend. Das haben sie in ihrem Blog sehr schön beschrieben. Die entwickeln die App einfach darum, weil sie der Meinung sind, es müsste so etwas kostenlos geben.

NetNewsWire: Installation

Als erstes muss ich mir die NetNewsWire-App herunterladen:


Dann lege ich sie mir noch an meinen bevorzugten Ort auf dem Home-Bildschirm. Ich für meinen Teil möchte gleich meinen inneren Schweinehund überwinden und setze die App direkt an die Stelle, wo bisher mein Lieblings-Social-Network war. Die entsprechende App, das war bei mir Tweetbot, funktioniert ohnehin nicht mehr, da Twitter den API-Zugang gelöscht hat.

Praktischerweise hat NetNewsWire gleich zehn Feeds vorab-abonniert. Sie sind allesamt englischsprachig und im Apple-Nerdiversum verortet. Mit ihnen kann man schon ein bisschen die Funktionsweise und die Bedienung der Newsreader-App ausprobieren.

Sie erscheinen in der Feed-Liste ganz links auf dem iPad. Die mitgelieferten Feeds sind alle einzeln aufgeführt in der Kategorie „On My iPad“. Oben darüber gibt es noch eine weitere Kategorie, die heißt „Smart Feeds“. Das sind spezielle aggregierte Feeds, die eine übergreifende chronologische Timeline darstellen. „Today“ sind die heute eingegangenen Beiträge. „All Unread“ sind die aus allen Feeds, die noch ungelesen sind.

Unter „Today“ erscheinen immer die aktuellen Beiträge aus den letzten 24 Stunden. Bei „All Unread“ verschwindet alles, was ich einmal gelesen habe. Kann sein, dass das ein bisschen dauert. Vielleicht muss ich auch nochmal in eine andere Kategorie oder in einen Feed reinklicken.

Wenn ich jetzt einen Beitrag antippe, erscheint er in der breiteren Spalte rechts. Wenn mir das noch ein bisschen zu schmal ist, weil die Feed- und Beiträgespalte den Platz begrenzen, kann ich auf den Button links über der Beitragsliste klicken. Dann verschwindet die Feed-Spalte und so habe ich etwas mehr Platz.

Mit einer Scroll-Geste von oben nach unten arbeite ich mich durch den aktuellen Beitrag. Wenn ich nach links oder rechts wische, wechsle ich zum nächsten bzw. vorherigen Beitrag. Dafür brauche ich nur einen Finger. Auf einem Trackpad am iPad oder Mac läuft das dann mit einer Zwei-Finger-Geste.

Wenn mir dieser Beitrag sehr gut gefällt und ich möchte ihn später noch einmal lesen, dann kann ich auf diesen Stern tippen. Denn in den Smart-Feeds gibt es noch einen dritten Eintrag, nämlich „Starred“. Und der versammelt alle mit einem Stern markierten Beiträge.

Der kleine Kreis mit dem Pfeil nach unten wechselt zum untersten Beitrag in der aktuellen Liste. Das ist sehr praktisch, wenn ich in chronologischer Reihenfolge lesen möchte, denn die neuesten erscheinen immer ganz oben.

Synchronisieren

Neben den RSS-Feeds gibt es noch etwas, das die App beherrschen muss, nämlich die Synchronisierung meiner Feeds und meines Lesestatus über mehrere Geräte. Ich verwende hier die iCloud, denn wer Apple-Geräte nutzt, hat dafür eigentlich immer eine Apple-ID.

Dafür öffnet Ihr die Einstellungen und tippt auf „Add Account“. Hier bietet Euch die App dann die verschiedenen Dienste an, die sie unterstützt. Bis auf iCloud brauchen sie alle einen Login und ein Passwort zum Anmelden bei dem jeweiligen Dienst, der dann die Verwaltung und Synchronisierung Eurer Feeds übernehmen. Sie kosten meist eine Abo-Gebühr von einigen € pro Monat, einige bieten einen eingeschränkten kostenlosen Zugang an.

Wenn Ihr in der Liste ganz nach unten scrollt, findet Ihr FreshRSS. Dieser Dienst ist für diejenigen, die einen eigenen Web-Server betreiben und darauf ihren eigenen Sync-Dienst hosten wollen. Mehr dazu findet Ihr auf der FreshRSS-Projektseite.

NetNewsWire unterstützt eine Anzahl kommerzieller Sync-Dienste sowie das selbstgehostete FreshRSS.

Aber für den Anfang könnt Ihr Euch diese Entscheidung ersparen, wenn Ihr „iCloud“ wählt und das mit „Use iCloud“ bestätigt. Keine Anmeldung notwendig, kein neues Passwort, das läuft alles über die bestehende iCloud-Anbindung.

Die müsst Ihr allerdings auf jedem Gerät einmal aktivieren, automatisch geht das nicht. Danach solltet Ihr die lokalen Feeds, also die zehn Feeds, die NetNewsWire vorab installiert, gleich löschen oder auf einem Gerät in die iCloud-Feeds einsortieren.

Der Effekt

In der chronologischen Liste meines RSS-Readers entdecke ich Vieles, was auf Social Media untergegangen wäre. Ich lese wieder längere Texte, speichere sie mir häufiger als Referenz oder teile sie, mittlerweile auf Mastodon.

A propos Mastodon: Besonders wichtigen Mastodon-Accounts folge ich auch per RSS. Diese Plattform stellt automatisch RSS-Feeds für jeden Account bereit. Und auch Podcasts kann ich über Netnewswire abonnieren, um sie dann im Browser anzuhören.

Falls NetNewsWire nicht mehr weiterentwickelt wird, kann ich meine Sammlung an Feeds exportieren und zu einem der vielen Konkurrenten wechseln. Da gibt es für Mac und iOS zum Beispiel Reeder, Newsify und Fiery Feeds.

Alternativ zum iCloud-Sync gibt es noch viele andere Sync-Dienste, etwa Feedly, Inoreader oder BazQux. Mit ihnen kann ich auch meine RSS-Feeds zwischen unterschiedlichen RSS-Reader-Apps synchronisieren. Sie bringen oft auch zusätzliche Funktionen, zum Beispiel zum Filtern der RSS-Feeds und einer Browser-Ansicht, um systemunabhängig die Feeds zu lesen.

Natürlich hat es ein bisschen gedauert, bis sich NetNewsWire mit Inhalt füllte. Mir wird nichts empfohlen, stattdessen muss ich mir selbst die RSS-Feeds ineressanter Seiten herauskratzen und einsortieren. Aber langfristig lohnt sich der Aufwand, denn ich bin unabhängig von zentralisierten Firmen, die jederzeit den Hebel umlegen und mir den Spaß rauben können.

Wer meinen Kanal kennt, fragt sich vielleicht: Was ist mit Kurzbefehlen, also Apples Automatisierungslösung? Nun, die habe ich genutzt, um Euch den Einstieg ein wenig zu erleichtern: Mein Kurzbefehl bietet Euch deutsch- und englischsprachige Apple-Newsseiten und Blogs zum Abonnieren an. Weiter unten könnt Ihr ihn herunterladen.

Download NetNewsWire

https://www.netnewswire.com

Alternativen zu NetNewsWire

Fiery Feeds
Reeder 5

Alternativen zum iCloud Sync

Inoreader
Feedly
BazQux
NewsBlur
The Old Reader
Feedbin
FreshRSS

Kurzbefehl downloaden

Der Kurzbefehl funktioniert aktuell nur am iPhone und iPad, da NetNewsWire für den Mac noch keine Kurzbefehle unterstützt.

Mich unterstützen

Von Immo Junghärtchen

Seit 1996 bin ich Mac-Anwender mit Begeisterung. Während meines Studiums habe ich mich um die Apple-Computer meiner Freundinnen und Freunde gekümmert und als Promoter im damaligen iTeam für iMacs, iBooks und die ersten iPods geworben. Bei Gravis sammelte ich Erfahrungen im Apple-zentrierten Einzelhandel, in Selbstständigkeit gab ich Kurse für Mac-Neulinge. Über sechs Jahre arbeitete ich als Redakteur für die Zeitschrift "Mac & i" und arbeite jetzt als freier IT-Journalist, unter anderem für Heise Online und die c't.

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